Kampagne NUR JA HEISST JA
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NUR JA HEISST JA

Zur Rolle von Männlichkeit

Ein paar Worte zu Beginn: Consent geht alle Geschlechter an. Dabei können alle Geschlechter Grenzüberschreitungen erleben, es tragen aber auch alle Geschlechter die Verantwortung, die explizite Zustimmung des Gegenübers einzuholen. An dieser Stelle möchten wir aber auch explizit nochmal auf verschiedene Studienergebnisse hinweisen: Bei betroffenen Frauen sind in 99% der Fälle Männer Täter, auch bei Gewalt gegen Männer sind die Täter meist männlich.

 Als Frauenberatungsstelle arbeiten wir mit FLINTA* (Frauen, Lesben, inter, nicht binäre, trans* und agender Personen). Wenn du als Mann Grenzüberschreitung erlebt hast, kannst du dich an Männerberatungsstellen oder z.B. das Männerhilfetelefon (Hilfetelefon Gewalt an Männern) wenden.

Wenn du diesen Beitrag als Mann liest und dich mit Consent beschäftigst, ist das ein wichtiger Schritt. Shaina Joy Machlus hat in ihrem Buch "Nur Ja! heißt ja. Eine Anleitung zu sexuellem Konsens" ein eigenes Kapitel zum Thema Männlichkeit verfasst, in dem sie verschiedene Handlungsimpulse teilt. Diese finden wir sehr wertvoll und teilen sie daher an dieser Stelle - das Buch ist auch insgesamt eine große Empfehlung!

Aus "Nur Ja! heißt ja. Eine Anleitung zu sexuellem Konsens" von Shaina Joy Machlus

Praktiziere immer Konsens in sexuellen und nicht-sexuellen Begegnungen mit anderen Menschen. Lasse keinen Raum für Zweifel, mache Einvernehmen zu einem unverhandelbaren Teil all deiner Begegnungen mit anderen Menschen. Erzähle möglichst vielen Menschen, wie wichtig Konsens für dich ist.

Finde heraus und verstehe, wie Unterdrückungssysteme deiner Identität Vorteile verschaffen und wie diese Systeme andere unterdrücken und auch dir als Mensch schaden können. Versuche aktiv, in deinem und beruflichen Leben hierarchische Systeme, die auf Unterdrückung und Privilegierung beruhen, zu untergraben und abzubauen. Möchtest du es unterstützen, dass deine weiblichen und geschlechtlich nicht-konformen Kolleg*innen das gleiche Gehalt bekommen wie du? Sage ihnen, wie viel du bekommst und engagiere dich in Gremien, bei der Arbeit, in der Schule, im Verein oder anderswo, die sich um Einstellungen, Gehaltserhöhungen, Zuschläge und Beförderungen kümmern. Stelle Frauen und geschlechtlich nicht-konforme Personen ein, zahle ihnen mehr, fordere mehr Diversität in deiner Schule, an deinem Arbeitsplatz, in deiner Regierung usw.

Höre Frauen zu und glaube ihnen. Lerne zuzuhören, ohne zu unterbrechen oder deine eigene Meinung zu sagen. Es ist in Ordnung, gar nicht zu sprechen und dich ganz dem Zuhören zu widmen. Wenn du dich unterhältst, zentriere das Gespräch nicht automatisch um dich und deine Erfahrung. Bemerke die Momente, in denen du dich angegriffen fühlst und widerstehe dem Drang zu reagieren. Hinterfrage stattdessen, woher deine Abwehr kommt.

Schaffe Raum, in dem Frauen und geschlechtlich nicht-konforme Personen wütend sein können, wirklich wütend. Lyz Lenz schreibt in ihrem Essay »All the Angry Women« (dt. etwa: All die wütenden Frauen): »Wut ist immer anderen vorbehalten (...) Eine wütende Frau muss sich rechtfertigen. Die Gründe für ihre Wut müssen ausgelesen, untersucht und debattiert werden. Wütenden Frauen wird nicht gestattet, mehr zu sein als das schrille Heulen vom Spielfeldrand."

Lies weibliche und geschlechtlich nicht-konforme Autor*innen, befasse dich mit ihrer Geschichte, Sprache und Philosophie. Erwarte nicht von jenen mit weniger Privilegien, dass sie dir etwas beibringen, sondern nutze die unendlichen Texte und Ressourcen, die in Büchern und im Internet zu finden sind. Wenn du um Hilfe im Lernprozess bittest, denke daran, dass diese Wissensvermittlung emotionale und körperliche Arbeit ist, die durch Bezahlung oder eine andere Kompensation anerkannt werden sollte.

Frage nach, bevor du handelst. Mutmaße nicht, dass eine Person oder Gruppe eine bestimmte Hilfe möchte. Sich aus privilegierten Positionen gegen Unterdrückung zu verbünden, bedeutet, auf eine Weise zu unterstützen, die andere von dir erbitten. Das muss nicht unbedingt dem entsprechen, woran du gedacht hast oder wie du helfen wolltest.

Nimm physisch und/oder emotional nicht so viel Raum ein. Mach dich nützlich, indem du es anderen ermöglichst, sich in welchem auch immer von ihnen gewählten Raum frei zu bewegen, ohne dass sie um dich herum oder durch dich hindurchmüssen. Das bedeutet, dass ihr Männer in eurem Lernen über mögliche Arbeit und Organisierung gegen Vergewaltigung keine emotionale Last für Frauen sein solltet, sondern euch eure eigene Unterstützung untereinander bieten müsst. Unterstütze Räume und Treffen, die Frauen, nicht-binären Menschen usw. vorbehalten sind, ohne dich ausgeschlossen zu fühlen. Mach dich nicht breit.

Schweige nicht, wenn du mit anderen Männern zusammen bist. Übe, Sätze wie die Folgenden zu sagen: »Ich finde das nicht lustig«, »Du bist besser als das«, »Das finde ich beleidigend/diskriminierend/übergriffig«, »Ich möchte darüber sprechen, was du gerade gesagt hast«. Wenn du Angst hast, deine Meinung zu äußern - was sagt das über die Menschen, die dich umgeben, aus? Was sagt das über dich aus? Wenn du in Gruppen von Männern bist, achte auf deren Sprachgebrauch. Wenn du dir nicht vorstellen kannst, vor den Menschen, über die ihr sprecht, auf gleiche Weise zu reden, frage dich, warum. Wenn du etwas Gewaltvolles gegenüber anderen Menschen hörst, sprich dich dagegen aus. Mit einer oder mehreren Personen privat oder öffentlich zu reden, gehört zu den wirksamsten Mitteln, um etwas zu verändern. Denke daran, dass Schweigen als Zustimmung verstanden wird. Sei mutig. So schwer es auch sein mag, den Mund aufzumachen: Die Gewalt, die diese Haltungen gegenüber einer anderen Person oder einer anderen Gruppe von Menschen erzeugen, ist viel schlimmer.

Sprich dich deutlich, laut und öffentlich gegen Vergewaltigung und sexuelle Belästigung aus. Unterstütze Frauen und alle anderen Menschen, die mutig genug waren, von ihren Erfahrungen zu erzählen. Verurteile öffentlich jene, die Aggressionen ausgeübt haben. Mache allen in deiner Gemeinschaft und Nachbar*innenschaft deutlich, dass du dich durch Gespräche, Soziale Medien, die Teilnahme an Protesten, Vorträgen usw. aktiv darum bemühst, Vergewaltigung und Vergewaltigungskultur zu beenden.

Hilf andere Männer weiterzubilden. Gründe Gruppen gegen Vergewaltigungskultur oder nimm an ihnen teil. Gib Bücher, Artikel, Podcasts, Videos und andere hilfreiche Ressourcen über Konsens weiter und schließe Gespräche über die Informationen darin an. Sprecht weiterhin miteinander über eure Erfahrungen in der Anwendung des Konsens-Konzepts.

Sei von keiner Art der sexuellen oder anderweitigen Zurückweisung gekränkt. Feiere die Individualität von Frauen und geschlechtlich nicht-konformen Menschen sowie ihr Recht, mit manchen Menschen Sex oder ein Gespräch haben zu wollen oder nicht.

Wenn du jemals Zeuge von sexualisierter Gewalt oder einer anderen potenziell gefährlichen Situation wirst, interveniere sofort. (Siehe die Liste am Ende des Buchs für Möglichkeiten, sexualisierte Gewalt konkret zu verhindern.)

Ergänze und schaffe deine eigene Liste mit Möglichkeiten, eine Kultur des Konsenses aufzubauen.

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